“Wir gehen hier nicht weg. Was machen Sie mit unserem Freund?”

von Samuel.

Ein Video aus Wien, welches am 1. Juli auf einem privaten Kanal auf Instagram geteilt wurde, hat in den sozialen Medien für Empörung gesorgt. Auf dem Video ist eine Amts(miss)handlung der Polizei zu sehen, bei welcher eine erst 16-jährige POC1-Person zu Boden gerissen und festgemacht wird, danach werden der minderjährigen Person Handschellen angelegt und diese wird abgeführt. Was dabei besonders erschüttert, ist die rohe Vorgehensweise der Beamt*innen. Diese bemühen sich erst gar nicht um eine kommunikative Deeskalation, sondern entscheiden sich impulsiv und aktiv Mittel der Gewalt gegenüber einer wehrlosen Person anzuwenden, von der keinerlei Aggression gegenüber den Polizeibeamt*innen ausging und die nicht einmal wusste, wofür sie belangt wird.

Wenig verwunderlich handelt es sich bei dem Übergriff der Polizei nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um tief verwurzelte rassistische Strukturen und Einstellungen, die in ihrer Systematik insbesondere die Menschen treffen, die nicht dem Gesellschaftsbild der Polizei entsprechen. Als unabhängige Meldestelle für Polizeigewalt möchten wir darauf aufmerksam machen, dass wir eine Zunahme der polizeilichen Präsenz im öffentlichen Raum feststellen und diese sich insbesondere gegen Jugendliche mit Migrationshintergrund richtet. Der Alltag der Polizei in Österreich besteht aus Racial Profiling.

 In einem öffentlichen Statement auf X (ehemalig Twitter)2 verweist die Polizei darauf hin, dass die Verhaftung “als letzte Konsequenz” nach einer Ermahnung aufgrund der Behinderung einer laufenden Amtshandlung eingesetzt wurde. Selbst wenn die Entstehung zur polizeilichen Eskalation durch das Videomaterial nicht einsehbar ist, deutet das Unverständnis der umstehenden Menschen und das explosive Potential der Exekutivbeamt*innen auf die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes hin. Nach den vagen Rechtfertigungsversuchen im Internet wird ironischerweise nochmals darauf hingewiesen, dass eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Polizei erhoben werden kann. Insbesondere mit den Erkenntnissen der ALES-Studie3 wird statistisch festgehalten, dass Polizist*innen nur in den seltensten Fällen für ihr Fehlverhalten belangt werden. Es gibt also kaum Konsequenzen und ebenso keine Einsicht auf Fehlverhalten seitens der Polizei. Während die Beobachter*innen rund um den Vorfall noch davon ausgehen, dass die Polizist*innen auf dem Video ihren Job verlieren werden, spiegelt die übliche Aufarbeitung innerhalb der Polizeistrukturen diese dystopische Realität wider.

 Die neue “unabhängige” Ermittlungs- und Beschwerdestelle für Misshandlungsvorwürfe (EBM)4 im Innenministerium, welche damit beauftragt wurde, Misshandlungsvorwürfe gegenüber Beamt*innen aufzuklären und “systematische Mängel” zu bekämpfen, bleibt ein halbes Jahr nach ihrer Gründung weiterhin tatenlos. Aus diesem Grund betonen wir die Wichtigkeit einer unabhängigen Meldestelle für Polizeigewalt. Die EBM untersteht weiterhin dem Innenministerium, wodurch eine unabhängige und lückenlose Ermittlung nicht gewährleistet werden kann. Denn Polizist*innen ermitteln wie zuvor gegen ihre eigenen Kolleg*innen. Wir als Antirepressionsbüro fordern eine unabhängige Meldestelle, die den Schutz der Betroffenen und eine objektive Beweisführung sicherstellt. Da es von öffentlichen Stellen noch nicht die Möglichkeit gibt, kannst du dich bei uns unter  www.antirepressionsbuero.at melden.

  1. POC = Person of color ↩︎
  2. Statement der Polizei auf x: https://twitter.com/LPDWien/status/1808781351148978504 ↩︎
  3. ALES-Studie über den Umgang mit Misshandlungsvorwürfen gegen Exekutivbeamte: https://www.bmj.gv.at/service/publikationen/ALES-Studie-%C3%BCber-den-Umgang-mit-Misshandlungsvorw%C3%BCrfen-gegen-Exekutivbeamte.html ↩︎
  4. EBM: https://www.bak.gv.at/201/start.aspx ↩︎