Knapp 500 Jahre “Recht und Ordnung”?

Eine kleine Polizeigeschichte Österreichs

Heute kennen wir die Bundespolizei als riesige, kaum durchblickbare Behörde mit weitreichenden Befugnissen. Eine Gesellschaft ohne Polizei scheint kaum vorstellbar, die Polizei als Institution fast unantastbar. Dabei besteht die Polizei in ihrer heutigen Form erst seit 2005 und manche ihrer Vorgängerbehörden waren jünger als die erste demokratische Verfassung. Die dunkleren Flecken ihrer Geschichte verschweigt oder beschönigt die Polizei lieber, darum werfen wir mal einen Blick darauf.

Am aus Film und Fernsehen bekanntesten ist wohl die Kriminalabteilung der Polizei. Ihre Aufgabe ist es, Verbrechen aufzuklären. Sie arbeitet hier der Justiz zu. Dass sie oft sehr selektiv darin ist, welche Verbrechen es wert sind, aufgeklärt zu werden ist kein Geheimnis – siehe unseren Artikel zu Frauenmorden. Das ist aber nur eine ihrer beiden Hauptaufgaben, seit 1791 ist auch festgeschrieben, dass sie verhindern soll, dass Verbrechen begangen werden. Dabei ist natürlich viel Spielraum für politische Entscheidungen, mit welchen Mitteln das verhindert werden soll. Im Allgemeinen gibt es eine Art Kriminalabteilung seit dem 16. Jahrhundert, sie ist der älteste Zweig der Polizei. Unter anderem trug sie die Namen „Rumor“- oder „Geheimpolizei“, da sie verdeckt ermittelte und nicht uniformiert war.

Wer bei Geheimpolizei an die Geheime Staatspolizei Gestapo denkt, liegt nicht ganz falsch. Auch die Gestapo war Teil des Polizeiwesens in Österreich – auch wenn sich die LPD Wien bei der Darstellung ihrer eigenen Geschichte gern davon reinwäscht. Der bereits vor 1938 illegale Nationalsozialist Karl Ebner etwa tat sich in der Ersten Republik mit der Leitung einiger Polizeikommissariate hervor. Im Austrofaschismus wurde er sogar kurzfristig in die Bundespolizeidirektion berufen und trotz seiner nationalsozialistischen Betätigung in Bezirkspolizeikommissariaten für die Verfolgung politischer Gegner:innen eingesetzt. Diese Erfahrung konnte er nach dem „Anschluss“ auch direkt nutzen. Als Leiter der Wiener Gestapo war er mitverantwortlich für die Deportation von mehr als 48.000 Wiener Juden und Jüdinnen. Auf der „Polizeigeschichte“ Seite der LPD Wien findet sich kein selbstkritisches Wort zum Zeitraum 1938-45.

Bereits vor dem Nationalsozialismus, im Austrofaschismus 1933-1938, gab es eigene Polizeistellen zur Verfolgung politischer Gegner:innen. Die kurz davor gegründeten Sicherheitsdirektionen übersahen den faschistischen Polizeistaat. Sicherheitsdirektoren konnten polizeiliche Anhaltung ohne konkreten Grund und ohne gerichtliches Verfahren aussprechen. Sozialdemokrat:innen, Kommunist:innen, Gewerkschafter:innen, aber auch Nazis wurden in Anhaltelager wie das Anhaltelager Wöllersdorf geschickt. Während es den faschistischen Kanzlern wichtig war, den Anschein eines Rechtsstaates zu erhalten, setzten sie ihre Herrschaft vor allem durch die Polizei durch.

Eine weitere Aufgabe der Polizei heute ist die Wahrung der „Öffentlichen Sicherheit“. Dafür waren früher zwei Behörden zuständig. Wer sich an eine Zeit vor 2005 erinnern kann, dem:der ist die Gendarmerie noch ein Begriff. Was viele als „friendly, neighbourhood cops“ in Erinnerung haben wurde ursprünglich gegründet, um demokratische Bestrebungen in Österreich zu unterdrücken. 1848 war nämlich Revolution in Wien. Bürgerliche und Arbeiter:innen erkämpften eine demokratische Verfassung. Nachdem die Revolution blutig niedergeschlagen worden war, wollte Kaiser Franz Joseph vermeiden, dass so etwas noch einmal geschieht. Er richtete 1849 die Gendarmerie ein, um für öffentliche Ruhe und Sicherheit zu sorgen. Rekrutiert wurde sie aus der Armee. Immer wieder wurde sie als Zivilwachkörper gegen die Bevölkerung geschickt, wie etwa in den Februarkämpfen 1934. Extra lobend erwähnenswert finden die Nachfolger:innen der Gendarmerie ihren Einsatz gegen den Oktoberstreik 1950. Dass längst klar ist, dass es sich beim Streik nicht um einen kommunistischen Putschversuch gehandelt hat, spielt bei der Selbstdarstellung der Gendarmerie keine Rolle. Auf der Website wird gefeiert, wie sich die „Schlagkraft der Gendarmerie unter Beweis stellte“. Seit dem EU-Beitritt Österreichs wurde auch eine „Grenzgendarmerie“ eingerichtet, um die Schengen- und EU-Außengrenzen zu „schützen“. Wie das aussieht, wissen wir mittlerweile auch (Weitere Infos dazu unter https://seebruecke.org/ und https://cba.fro.at/493545).

Neben der Gendarmerie gab es noch die Sicherheitswache, die dazu da war, in großen Städten Unruhen zu unterdrücken. In Zeiten der Monarchie sollte sie auch ein deutsches Gegengewicht zu der multinational besetzten Gendarmerie und Armee sein. So wurde in Wien beschlossen, “dass nunmehr nur intelligente, der deutschen Sprache kundige, womöglich aus Wien oder der nächsten Umgebung gebürtige Personen in die Zivilwache aufgenommen werden sollen.” Es war auch die Sicherheitswache, die über eine berittene Abteilung verfügte. Diese kam auch beim Justizpalastbrand 1927 zum Einsatz. Das besonders brutale Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrant:innen war ein Wendepunkt in der Geschichte der Ersten Republik. Mit Pferden wurden Menschen gejagt und niedergeprügelt. Flüchtenden wurde in den Rücken geschossen. Die Sicherheitswache bestand bis 1938 – Versuche, allen voran durch den damaligen Innenminister Herbert Kickl, wieder eine berittene Polizeistaffel zu gründen, scheiterten unlängst.

Heute sind diese, und weitere, Abteilungen unter der Bundespolizei vereint. Die Polizeireform wurde unter dem mittlerweile wegen Bestechlichkeit verurteilten Innenminister Ernst Strasser beschlossen. So haben wir heute eine riesige Behörde, die gleichermaßen für Terroranschläge, Suchtmittel, Parkstrafen, Morde, Demonstrationen und Lärmbelästigung zuständig ist. Doch egal wie sie auch heißen mag, die Polizei war immer das Werkzeug der Regierenden um „Recht und Ordnung“ durchzusetzen. In einer echten Demokratie sollte sie eigentlich nicht mehr wie von Kaisern oder Faschisten gegen die Bevölkerung eingerichtet sein, sondern der Souverän – die Bevölkerung – selbst bestimmen, was Recht und Ordnung ist.

Quelle für die Selbstdarstellung, sowie alle direkten Zitate: https://www.polizei.gv.at/wien/publikationen/geschichte/start.aspx